Zeitpunkt der Eheschließung bei Anspruch auf Witwenrente in der betrieblichen Altersversorgung erfordert eindeutige und klare Regelungen
Schließen Regelungen Ansprüche aus bzw. schränken sie solche ein, muss dies hinreichend erkennbar und eindeutig beschrieben sein. Dies gilt auch und gerade für Bestimmungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, in welcher Höhe er bzw. seine Angehörigen im Versorgungsfall Leistungen zu erwarten haben, um ggf. Versorgungslücken schließen zu können. Das folgt aus dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Urteil des BAG vom 02.12.2021, Az.: 3 AZR 212/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann. Der 1957 geborene und 2018 verstorbene Ehemann der Klägerin war von 1983 bis 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Im August 2010 schloss der Verstorbene die Ehe mit der Klägerin. Nach einer Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (BV Altersversorgung) hat der Verstorbene einen Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung erworben. Die Leistungsvoraussetzungen hat der Verstorbene erfüllt. Die BV Altersversorgung enthält darüber hinaus eine Hinterbliebenenversorgung. Demnach beträgt die Witwenrente 60 % der Altersrente. Weiter ist in der BV geregelt, dass die Witwenrente entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist. Die Witwenrente entfällt ebenfalls, wenn die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde. Die Klägerin machte nach dem Tod ihres Ehemannes einen Anspruch auf Witwenrente bei der beauftragten Unterstützungskasse geltend. Die Unterstützungskasse lehnte eine Zahlung ab. Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Sie macht geltend, dass die Ausschlussgründe aus der BV Altersversorgung nicht vorlägen. Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, dass ein Anspruch nur dann besteht, wenn die Ehe bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sei. Das ArbG hat der Klage stattgegeben, das LAG hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin hat vor dem 3. Senat wiederum Erfolg.
Die Entscheidungsanalyse:
Die Klägerin hat ab August 2018 einen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente gegen die Beklagte. Dem Anspruch steht - entgegen der Ansicht des LAG - nicht entgegen, dass die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehegatten erst nach dessen vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten geschlossen wurde. Die Versorgungsregelungen sehen insoweit keinen Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung vor. Es fehlt an einer hinreichend erkennbaren klaren Regelung, wonach die Zusage nur auf Witwen/Witwer aus Eheschließungen im bestehenden Arbeitsverhältnis beschränkt und somit Witwen/Witwer aus Eheschließungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber vor Rentenbezugsbeginn von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sein sollen. Das hat die Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen durch den 3. Senat ergeben. Schließen Regelungen Ansprüche aus bzw. schränken sie solche ein, muss dies hinreichend erkennbar und eindeutig beschrieben sein. Dies gilt auch und gerade für Bestimmungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, in welcher Höhe er bzw. seine Angehörigen im Versorgungsfall Leistungen zu erwarten haben, um ggf. Versorgungslücken schließen zu können. Das folgt aus dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BAG, Urteil vom 26.02.2020 - 4 AZR 48/19). Eine derart eindeutige Regelung enthält die BV Altersversorgung hier nicht. Ausdrücklich geregelt sind in der BV nur zwei Fälle, in denen eine Witwen-/Witwerversorgung ausgeschlossen ist. Diese soll entfallen, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist oder wenn sie erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde. Diese ausdrücklichen Ausschlusstatbestände für die Witwen- /Witwerversorgung zeigen im Umkehrschluss, dass weitere Ausnahmen für die Witwen-/Witwerversorgung nicht gewollt waren. Anderenfalls hätte es nahegelegen, eine weitere ausdrückliche Ausnahme vorzusehen. Entgegen der Ansicht des LAG folgt aus dem Ausschluss geschiedener Ehepartner nicht, dass die Versorgungsordnung insoweit eine Beschränkung auf eine einmal gegebene Zusage enthalte, die mit Scheidung entfalle und bei Wiederheirat nicht erneut auflebe. Die Klausel stellt lediglich klar, dass geschiedene Ehepartner keinen Anspruch auf eine Witwen-/Witwerrente haben.
Unser Praxishinweis:
Die Klägerin richtet den Anspruch zu Recht gegen die Beklagte. Zwar wurde die Versorgungszusage über eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins abgewickelt. Anspruchsgegner ist in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des 3. Senats auch die Unterstützungskasse (BAG, Urteil vom 13.07.2021 - 3 AZR 298/20). Daneben bleibt aber die Beklagte als Arbeitgeberin Versorgungsschuldnerin. Sie ist aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis verpflichtet, als Gesamtschuldnerin die geschuldete Versorgung zu leisten. Schließen Regelungen Ansprüche aus bzw. schränken sie solche ein, muss dies hinreichend erkennbar und eindeutig beschrieben sein!
Der Autor:
Andreas Moritz
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